Meine Rede zum 3. Änderungsgesetz des ENWG am 18.01.2024

Liebe Freundinnen und Freunde,
am 18.01.2024 durfte ich im Bundestag für meine Fraktion zum „Dritten Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes“ sprechen.

Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit am späten Donnerstagabend habe ich meine Rede „nur“ zu Protokoll gegeben.

Anbei findet Ihr den Wortlaut meiner Rede:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das Energiewirtschaftsgesetz regelt maßgeblich das Energiesystem in Deutschland. Ihre zahlreichen Novellen gleichen inzwischen einer immerwährenden Operation am offenen Herzen. Erst Mitte November habe ich hier zum selben Thema am Rednerpult gestanden. Gemeinsam haben wir dort die Grundlage des Wasserstoff-Kernnetzes diskutiert: Eine Grundlage, die damals von Ihnen ganz bewusst lückenhaft vorgelegt wurde!

Unser Land und die Wirtschaft brauchen endlich einen verlässlichen, soliden und lückenlosen Rechtsrahmen für Deutschlands Energiesystem! Von zentraler Bedeutung für die Zukunft des Industriestandorts Deutschland wird der Aufbau einer stabilen, kosteneffizienten und großflächigen Wasserstoffversorgung sein. Wir begrüßen daher, dass Sie viele unserer Forderungen aus dem Positionspapier „Wasserstoffhochlauf“ der Unionsfraktion aus dem März 2023 aufgenommen haben: Wir begrüßen auch, dass eine Umstellung bestehender Gasnetze auf Wasserstoff gegenüber dem Neubau von Leitungen Vorrang genießt. Weiterhin muss die Rolle des Staates beim Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur so groß wie nötig und so klein wie möglich sein. Daher waren und sind alle planwirtschaftlichen Fantasien einer staatlichen Wasserstoffnetzgesellschaft abzulehnen. Schön, dass sich diese Erkenntnis auch im grünen Wirtschaftsministerium am Ende durchgesetzt hat!

Vielmehr braucht es seitens des Gesetzgebers einen belastbaren Rechtsrahmen und eine attraktive Verzinsung, damit Investoren ihr Kapital langfristig binden. Nur mithilfe der Privatwirtschaft lässt sich ein solches Vorhaben kosteneffizient realisieren! Ihren aktuellen Vorschlag eines Amortisationskontos halten wir für richtig, dennoch bereitet uns – genauso wie dem Bundesrat – die konkrete Ausgestaltung große Sorgen! Sie wollen Investoren mit einer Eigenkapitalverzinsung von 6,7% locken – in einer Zeit, in der jeder Privatmann sein Geld mit über 4% bei zehnjähriger Bindung sicher als Festgeld anlegen kann. Gegenüber der Wasserstoffnetzentgeltverordnung aus November 2021 senken Sie die Verzinsung um 1,3% auf 6,7%. Sie begründen das mit dem geänderten Risikoprofil, aber Sie unterbewerten das dramatisch veränderte Zinsumfeld. Wie sich Ihre 6,7% herleiten – UNKLAR! Wenn Sie hier nicht den Nerv der Kapitalmärkte treffen, wird das so dringend benötigte Netz nie fertig – weil es zu wenig Investoren gibt!

Doch es kommt noch schlimmer: Zum einen setzten Sie die Verzinsung niedrig an, zum anderen wird das Risiko der Wasserstoff-Netzbetreiber nur unzureichend abgesichert. Zu 24% sollen die Betreiber verpflichtet werden, den möglichen Fehlbetrag aus dem Amortisationskonto selbst zu tragen. Für ein Projekt, zu dem wir als Staat aufrufen und welches wir dringend benötigen. Aus dieser Ausfallgarantie kann der Bund zusätzlich auch noch ab 2038 aussteigen, sollte der Hochlauf scheitern. Wie Sie ausreichend Investoren bei unattraktiver Verzinsung und kaum abschätzbarem Risiko gewinnen wollen, bleibt mir schleierhaft! Wer will dieses Risiko schon eingehen? 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

für mich stellen sich beim Aufbau unseres Wasserstoffnetzes drei Kernfragen: Wann? – Wer? – Wo? Über das „Wann sollen wir es angehen?“ haben wir in den Debatten der letzten Jahre schon viel zu lange diskutiert. Schlussendlich ist für den konkreten Fahrplan nun die Bundesnetzagentur zuständig. Zum „Wer soll das alles stemmen?“ habe ich eben ausführlich meine Bedenken geäußert. Es fehlt also noch das „Wo brauchen wir es überall?“. Auch dazu moderiert die Bundesnetzagentur jetzt einen mehrstufigen Beteiligungsprozess. In der gerade beendeten Stufe konnten wir alle bis zum 08. Januar unsere Gedanken, Kritik und Wünsche zum aktuellen Planungsstand äußern. Ich hoffe, Sie alle haben von dieser Möglichkeit reichlich Gebrauch gemacht!

Aus meiner Sicht besitzt der aktuelle Planungsstand noch zu viele weiße Flecken und es fehlen weitere Knotenpunkte und Verknüpfungen zum internationalen Netz. So ist aktuell keine Anbindung von Schleswig-Holstein bzw. dem Energy Hub Brunsbüttel an das internationale Wasserstoff-Offshore-Netz vorgesehen. Auch das süd-westliche Baden-Württemberg wurde trotz der strategischen Bedeutung und großen Wirtschaftskraft faktisch ausgespart. Ebenso mahnt der Bundesrat die fehlenden Ost-West-Verbindungen an!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir reden hier über nichts Geringeres als die neuen Hauptschlagadern der deutschen Industrie! Mit diesen muss primär an Standorten mit großer strategischer Relevanz begonnen werden, aber schlussendlich müssen alle Regionen Deutschlands angeschlossen werden! Dazu zähle ich unsere Häfen, die bestehenden und sich in der Entwicklung befindlichen Industriecluster, Wasserstoffspeicher sowie die Potenzialstandorte für unsere zukünftigen Kraftwerke. Ebenso müssen wir international nicht nur punktuell, sondern großflächig vernetzt angeschlossen werden.  An die Verwundbarkeit unserer bisherigen Gasversorgung mit wenigen großen Leitungen muss ich heute hoffentlich niemanden mehr erinnern!

Um auch am Ende bei den medizinischen Metaphern zu bleiben: Wir wollen, dass diese Operation am offenen Herzen gelingt, und werden den Ampel-Operateuren im weiteren parlamentarischen Verfahren ganz genau auf die Finger schauen!